Ansprache von Carsten Reinhold Schulz zur offiziellen Eröffnung der Ausstellung
„100 Jahre Lawrence Ferlinghetti und die Beat Generation“, 17.5.2019 Düsseldorf

 

 

Liebe Freunde, liebe Gäste,

 

ich habe die sehr schöne Aufgabe, Sie/Euch, im Namen und als Teil unseres drei-köpfigen Organisation-Teams, zur Eröffnung der Ausstellung „100 Jahre Lawrence Ferlinghetti und die Beat Generation“  begrüßen zu dürfen.

 

Eine solche Ausstellung ist nie das Werk eines Einzelnen. Daher geht unser Dank an all die vielen Menschen, natürlich auch an die beteiligten Künstler und Firmen, die mit ihrem Vertrauen in die Sache und nicht zuletzt mit Ihrer finanziellen Unterstützung zu dieser besonderen Schau beigetragen haben.

 

Spannende erste Einsicht über die Zeit ab 1953 und die verbindenden Kräfte der Beat Generation um Ferlinghetti haben sie als Besucher wohl in der ersten Etage mit den dort gezeigten Filmen, wie z.B. „A rebirth of wonder“ von Chris Felver, San Francisco, des wichtigsten Chronisten der Beat Generation, der auch viele Fotografien zur Ausstellung beigesteuert hat. Er hat aus familiären Gründen leider kurzfristig die Teilnahme absagen müssen, was wir an dieser Stelle sehr bedauern.

 

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Wenn man etwas von der Beat-Generation, ihren Anfängen und speziell von Ferlinghetti lernen kann, dann ist das die gemeinsame, solidarisch wirkende Aktion von Künstlern, egal ob sie von künstlerischen, sexuell befreienden oder politischen Motiven geleitet wird.

Die nie selbstverständliche Kooperation von Förderern, Kunstvereinen und Institutionen für diese Ausstellung, die sich um eine so starke Symbolfigur wie Lawrence Ferlinghetti dreht, ist vielleicht auch ein spannendes und Mut machendes Signal der vom heutigen Abend ausgeht.

 

„Fuck Art let’s dance“ ist nicht umsonst einer der Sprüche der Ferlinghetti zugeschrieben wird, den er selbst schon auf Buttons verewigt hat, und der nicht ohne Grund überdauert. (Buttons dieser Art kann man übrigens hier erwerben, damit unterstützen Sie die Ausstellung die komplett von der freien Szene initiiert und umgesetzt wurde  ...)

 

Ich bin mir nicht sicher, ob solche Sprüche, wie die auf den Buttons, in die eher lethargischen Konzepte deutscher Kunstmuseen oder Kunsthallen passen. Zumindest ist uns aufgefallen, daß es ansonsten merkwürdigerweise keine einzige offizielle Ausstellung zum hundertsten Geburtstag des Lawrence Ferlinghetti in Deutschland gibt, was uns vermehrt nachdenken lässt. Sie vielleicht auch.

 

Es ist immerhin der Ferlinghetti der soeben erst zum derzeitigen -kulturellen und politischen Irrweg Amerikas, in der Person des Donald Trump, deutlich kritisch in allen großen Zeitungen der Welt ausführlich zitiert wurde.

Was hat er gesagt?

Er sagte: „Trump ist ein Barbar!“

 

Liegt die fehlende Präsenz in unserer Kulturlandschaft, einer solchen, für die ganze westliche Kultur immens wichtigen Figur wie Lawrence Ferlinghetti vielleicht an dieser politischen Note? Daran, das er sich von der, an westlich genannten Werten orientierten Kunst, nicht so richtig vereinnahmen lässt – zumindest solange er lebt? Ist sein Freiheitstrieb und ein damit verbundenes kritisches Kunstverständnis im deutschen Kulturbetrieb vielleicht nicht so von Interesse? Wir wissen es nicht ...

 

Aber dieser Mann und Künstler mischt sich einfach weiterhin ein, wie er es in seinem hundert jährigen Leben immer gemacht hat, auch heute noch lässt er politische Spontisprüche und selbstgemalte Plakate an die Fenster seines legendären City-Light Book-Store und Verlags in San Francisco hängen.
Plakate selber malen? Ich kann das, beim besten Willen, nicht naiv finden, solche Leute werden heute gebraucht, fragen sie die Gelbwesten, fragen sie die immer Freitags demonstrierenden Schüler vor unseren Schulen.

Für ihre zu Überflutung neigende Zukunft verzichten sie freiwillig auf Teile ihrer Bildung. Eine zutiefst uneinsichtige Politik nennt diese Art des wichtigen friedlichen Widerstands heute wieder banal: „Schule schwänzen“... ?

 

Gesellschaftspolitisches Engagement ist für Ferlinghetti untrennbar verbunden mit seiner künstlerischer Arbeit, ja, auf ihr begründet sich zu einem guten Teil der Ruf der ganzen Beat-Generation seit den 1953 Jahren, als er selbst gegen den amerikanischen Staat die Veröffentlichung des indexierten Romans „Howl“ von Allen Ginsbergh vor Gericht nach einem ganzen Jahr Rechtsstreit durchgesetzt hat. Der Allen Ginsbergh, der in Düsseldorf am Luisen-Gymnasium später mit seinem Partner Peter Orlovski mit Schülern und Interessierten seine Literatur lesen konnte und diskutiert hat. Auch Zeitzeugen dafür lassen sich heute Abend hier finden. Halten Sie Ausschau.

 

Ich persönlich finde es ausgesprochen großartig mit Ferlinghetti heute einen Menschen feiern zu dürfen, der nicht mit nur einer einzigen gesellschaftlichen Rolle zufrieden war, sondern der seine starke kreative Weltsicht auf alle möglichen Bereiche der Gesellschaft ausgedehnt hat, als Dichter, er ist einer der meistgelesenen Dichter Amerikas, soeben ist mit “Little Boy“ sein neuestes Buch erschienen, als Buchhändler, als Verleger, er verlegt regelmässig jedes Jahr 10 neue, junge oder unbekannte Poets, oder als Maler, der seine letzte große Ausstellung in seiner italienischen Heimatstadt Brescia vor kurzem zeigen konnte. Kreise schließen sich.

 

Wir haben die heutige Ausstellung organisiert, weil wir von Ferlinghetti und den Beats, wie Sie Allen Ginsberg, William Burroughs, Gregory Corso, Brion Gysin, David Rexroth, Jack Kerouac, Timothy Leary u.v.a. darstellen und ihren nachhaltigen Auswirkungen bis hinein in die heutige Kunst- und Literaturszene schlicht begeistert sind.

Wir brauchen nur an die Poetry-Slams, an unzählige Spoken Words Aktionen oder an Künstler wie Patty Smith oder Henry Rollins zu denken, deren Bezug zur Beat Generation mehr als eindeutig ist.
Die spielerisch entwickelten, plattformübergreifenden Methoden der Beats zwischen Dichtung, Free Jazz, Malerei und Performance beinhalteten bereits damals den Kern eines heutigen, freiheitlichen Verständnisses von Kunst und Kultur, das jetzt leider immer mehr zugunsten von wirtschaftlichen Effizienzgedanken, der angeblichen Planbarkeit von Kultur und damit letztlich ihrer politischen Nutzbarkeit verdrängt zu werden droht.

 

Es geht in diesen Räumen weder um eine Dokumentation über Lawrence Ferlinghetti oder die Aufrechnung eines sensationellen 100jährigen Lebens für die Kunst oder die Literatur. Wir haben versucht mit Kunst, Akteuren, Filmen, Orginalen, Zeitzeugen, Literatur, Büchern, Bildern und Aktionen Ideen wieder hervorzuholen und Linien vorsichtig nachzuzeichnen. Sichtbar werden auch Ideen selbstbestimmtem Lebens, das sich letztlich über die Freiheit der Kunst, die Redefreiheit und die sexuelle Freiheit manifestiert.
derart Grundsätzliches gilt es immer wieder zu verteidigen und zu feiern.

Gestern wie heute. Und heute feiern wir.

Dieser Anspruch an die Kultur ist ohnehin politisch.

 

Machen Sie es, wie viele der Beats vor Ihnen – nehmen Sie sich ein Glas (oder auch zwei) und reden Sie miteinander.

 

Oder um mit Ferlinghetti in der Zeit zu sprechen, „Who are we now?“

Danke.

 

©carstenreinholdschulz©düsseldorf, 5.2019

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